In Memoriam

Es blühten dort keine Blumen und es zwitscherten keine Vögel

In diesen Tagen jährt sich die Befreiung des KZ Auschwitz-Birkenau durch russische Truppen zum 75 mal. Ich kann meinen Blog, diesen Kontakt mit einer mir unbekannten Umwelt, nicht ohne einige Worte zum Thema lassen.

Vor einem Jahr war ich dort. Der Ort ist unbeschreiblich grauenhaft im wahrsten Sinne des Wortes. Meine Erinnerungen an diesen Besuch sind dennoch nicht ganz so intensiv, wie das, was ich als kleines Kind in Wirklichkeit sah. Aus Bergen Belsen und aus Ravensbrück kamen damals Männer und Frauen in meine Heimatstadt, St.Gallen. Sie sahen aus wie lebende Tote. Aschgraue Gesichter, ausgemergelte Körper. Was sie am Leibe hatten schlotterte. Ich erinnere mich wie meine Grossmutter, sie war eine der Frauen, die sich um diese Ärmsten kümmerte, mit abgelegter Kleidung und Nahrung zum Schulhaus ging, wo die Menschen untergebracht waren. Die Gaben wurden dort verteilt.. Das Grauen, das diese Menschen durchgemacht hatten schien ihnen aus allen Poren zu kriechen, und man meinte immer noch die Angst zu riechen, die sie in den letzten Tagen im KZ und auf den Todesmärschen empfunden hatten.

Die Familie H. kam dann regelmässig zu meiner Grossmutter zu Besuch. Herr H. war in St. Gallen gestorben. Einer der vielen, deren Grab auf dem dortigen jüdischen Friedhof liegt. Fast täglich wurde hier ein Opfer des Nazi Terrors beerdigt. Frau H. hatte eine grosse lila Beule im Gesicht. Eigenartig, wie diese Beule mich nach mehr als 75 Jahre immer noch irritiert. Frau H., ihre Tochter und ihr Sohn konnten später in die USA emigrieren.

Wenn ich heute die Dokumentationen sehe, die Medien aus diesem Anlass zeigen, so lerne ich neue Tatsachen kennen, neue Gräueltaten, neue geschichtliche Aspekte zum Thema. Es redet erstmals ein Deutscher Präsident auf Deutsch in Israel. Es wird gedacht und gebetet, geredet und gesendet, musiziert und gesungen. Nichts bringt die Toten zurück. Nichts gibt denen die überlebt haben die Zeit zurück, die sie verloren haben, und nichts hilft ihnen mit ihren Traumata fertig zu werden.

Sie werden aussterben, die Zeitzeugen. Ich bin „davongekommen“, Schweizerin, Jüdin, mit Erinnerungen an diejenigen, die gelitten haben. Ich bin nur im weiteren Sinn eine Zeugin, und auch ich, deren Erinnerungen aus der Kindheit unauslöschlich sind, nähere mich dem Endziel. Bitte lasst uns nie vergessen, lasst uns die Lehren aus dem Geschehen weiter tragen, auch wenn wir, die diese Zeit irgendwie miterlebt haben, nicht mehr dem Gedächtnis der Welt helfen können!

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