Als Folge der Quarantäne lasse ich einkaufen! Es gibt da verschiedene Möglichkeiten: Familie, Freunde, Fremde. Jede dieser Annehmlichkeiten hat auch eine nachteilige Seite, und ich wechsle deshalb einfach ab. Gemeinsam haben sie eines: es wird für mich eingekauft und es wird mir gebracht. Diese Tatsache hat meine Gedanken – wieder einmal unter Dusche – aktiviert. Und sie gingen, wie fast immer, zurück in meine Kindheit.
Es war die Zeit kurz nach dem Krieg. Die Welt begann sich langsam zu öffnen. Nach den GIs, den US Soldaten auf Urlaub, kamen die ersten Ausländer in unser Land. Ausländer in friedlicher Absicht, die Wiedereröffnung des Handels und einen Hauch Freiheit und vor allem Hoffnung auf neuen Wohlstand verhiessen. Bei uns zuhause hiessen sie schlicht „die Einkäufer“. Sie kamen aus oft Englisch sprechenden Gegenden der Welt. Sie waren immer formell gekleidet. Ihre Hemdenkragen und Krawatten wirkten auf mich fremd und anders als die des Vaters und Grossvaters, eben Ausländer halt, Einkäufer! Mein kleines Hirn reagierte auf die fremde Sprache, und es gelang mir recht schnell, einzelne Brocken der verschiedenen Englischen Dialekte zu verstehen. Es gab da auch extravagante Figuren, einer war farbenblind, was auf alle Sprachen die gleichen Merkmale produziert. Er trug nämlich meistens verschieden farbige Socken. Er war so auch von seinem Zwillingsbruder zu unterscheiden, der nicht farbenblind war. Und ebenfalls Einkäufer. Lustigerweise hiess das Bruderpaar mit Nachnamen „Grey“.
Alle diese Menschen – es gab vereinzelt auch originelle und sehr elegante Einkäuferinnen – würden dazu beitragen, so erklärte mir mein Vater, dass alle die Arbeiterinnen in unserer Fabrik wieder ihr Auskommen hätten, und dass es uns gut gehe. Gerne wollte ich, dies. Aber ich fand die Einkäufer trotzdem sehr mühsam! Das Reisen in diesen beginnenden Fünfzigerjahren des vergangen Jahrhunderts nahm viel Zeit in Anspruch. So blieben die viel beachteten Ausländer jeweils länger in unserer Stadt. Die „Stickerei Herren“ buhlten um die Gunst der Kunden mit Essenseinladungen und Ausfahrten, besonders an schönen Sonntagen. Nie wäre es jemandem in den Sinn gekommen am Sonntag Muster vorzulegen und Auftragsbücher zu füllen. Ich erinnere mich an viele Ausflüge in englischer Sprache und mit bunten Krawatten um die Hälse der beliebten Einkäufer in die „nice green hills“ des benachbarten Appenzellerlandes. Mir war es sehr langweilig. Ich merkte nicht einmal, dass ein Grundstock gelegt wurde für meine Englisch Kenntnisse. Ich hätte ja auch Geographie des Nachbarkantons lernen können….

Soviel zu den Einkäufern. Meine Bestellungen aus der Quarantäne werden mir gebracht. Je nachdem von Familie, Freunden oder Fremden. Und dies bringt mich zu den Ausläufern. Diese Menschen waren schon in meiner frühen Kindheit also während und kurz nach dem Krieg im Alltag präsent. Sie waren täglich unterwegs und brachten Waren ins Haus. Meistens per Velo und mit einer grossen Kränze auf dem Rücken. Da kamen grosse Laibe Brot, ein Stück Braten, manchmal sogar Gemüse oder Früchte. Als der Wohlstand zu wachsen begann, waren die Ausläufer auch „besser gestellt“. Die Geschäfte hatten kleine Automobile, oft gespritzt mit ihren Namen, einem Brot oder einem Haxen, gekennzeichnet und so fahrende Reklamen! Hiessen sie anfangs noch Fritz oder Hans und bekamen einen Zehner bei Ablieferung, so wurde daraus „“Herr Matzenauer“, oder „Herr Behringer“, und sie waren Chauffeure- das Trinkgeld wurde dem entsprechend und aufgrund der Inflation angepasst!
Ich glaube, Einkäufer gibt es immer noch bei den grossen Konzernen, aber das Wort Ausläufer ist wohl ausgestorben!